Dokument n° PCG 02 Angenommen
Bericht des
Ausschusses für Programmrichtlinien
Der folgende Bericht wurde der Vollversammlung
vorgelegt und von ihr entgegengenommen.Die darin enthaltenen
Beschlussfassungen wurden vom Ausschuss für Programmrichtlinien
vorgeschlagen und von der Vollversammlung im Konsens gebilligt. Abweichende
Meinungen von Vollversammlungsdelegierten erscheinen als Endnoten.
I. Einleitung
1. Eine
der Hauptaufgaben der Vollversammlungen des Ökumenischen Rates der Kirchen
ist die Überprüfung der Arbeit und der Aktivitäten des Rates seit der
letzten Vollversammlung, um Leitlinien und Prioritäten für das künftige
Programm des ÖRK bestimmen zu können.
2. Der Ausschuss für Programmrichtlinien dieser
Vollversammlung hat seine Aufgabe ernst genommen und als Ausgangspunkt für
seine Beratungen den Bericht Von Harare nach Porto Alegre, den
Bericht über die Programmauswertung vor der Vollversammlung und die
entsprechenden Empfehlungen des Zentralausschusses 2005 sowie ein vom
Mitarbeiterstab verfasstes Hintergrunddokument mit dem Titel A Changing World (Eine Welt im Wandel) herangezogen. Jedes der
Ausschussmitglieder hat auch an einem der Ökumenischen Gespräche
teilgenommen, um zu hören, was die Vollversammlungsdelegierten zu den
künftigen ÖRK-Prioritäten zu sagen hatten. Und schließlich hat der
Ausschuss die Berichte des Vorsitzenden und des Generalsekretärs, die
thematischen Plenarveranstaltungen, die Hearings sowie zahlreiche
Vorschläge und Anregungen aus den Mutirão-Veranstaltungen und von Gruppen
aus der ÖRK-Gemeinschaft aufgenommen und erörtert in dem Bemühen, die Meinung
der Vollversammlung und den Ruf Gottes im Blick auf die einzigartige Rolle
zu erkennen, die dem ÖRK in der ökumenischen Bewegung zukommt.
3. Der Ausschuss legt seinen Bericht in dem Bewusstsein vor,
dass der Weisungsausschuss für Grundsatzfragen mehrere wichtige
Programminitiativen überprüft hat und ansprechen wird, die seit der
Vollversammlung in Harare im Zusammenhang mit der Stärkung und Vertiefung
der Beziehungen zwischen den Mitgliedskirchen (z.B. die Sonderkommission
zur orthodoxen Mitarbeit im ÖRK) sowie zu ökumenischen Partnern und zu
anderen christlichen Kirchen (z.B. Gemeinsame Arbeitsgruppe des ÖRK und der
römisch-katholischen Kirche, Pfingstkirchen etc.) ergriffen wurden.
4. Es ist dem Ausschuss nicht möglich, den ganzen Reichtum
der Beiträge, die ihm vorgelegen haben, in seinem Bericht an die
Vollversammlung wiederzugeben, doch werden wesentliche Materialien einschließlich der Berichte der 22 Ökumenischen Gespräche, der
Erklärungen von Gruppen der ÖRK-Gemeinschaft (Jugend, indigene Völker und
Menschen mit Behinderungen) sowie der verschiedenen Vorschläge zu
spezifischen Themen aus den Mutirão-Workshops an
die künftigen Leitungsorgane des ÖRK weitergeleitet, die die wichtige
Aufgabe haben, spezifische künftige Programme für den ÖRK auszuarbeiten.
Die in diesen Materialien enthaltenen Informationen werden den
Leitungsgremien helfen, die allgemeinen Leitlinien dieses Berichts in
Programme umzusetzen.
Beschlussfassung:
5. Die Neunte Vollversammlung nimmt den Bericht Von
Harare nach Porto Alegre sowie die Programmauswertung vor der Vollversammlung und die
Empfehlungen des Zentralausschusses 2005 anerkennend entgegen.1
II. Der Kontext unserer Arbeit
6. Die Vollversammlung von Porto Alegre fand vor dem
Hintergrund einer Welt statt, die sich rapide verändert. Dies ist der
Schauplatz, an dem die Kirchen vor dem
Hintergrund sich verändernder Kontexte ihren
Auftrag und ihre Berufung erfüllen sollen. Die Veränderungen vollziehen
sich überall, und sie sind alle miteinander verknüpft: Die kirchlichen und
ökumenischen Kontexte verändern sich (einschließlich der kirchlichen
Geographie, der Statistiken und der Säkularisierung) ebenso wie die
politischen, wirtschaftlichen und sozialen Kontexte (einschließlich
zunehmender Ungleichheit, Umweltzerstörung, Migration, Gewalt und Terror).
Diese Veränderungen stellen eine ungeheure Herausforderung für die Kirchen
und den ÖRK dar; sie erfordern einen mutigen Blick in die Zukunft und noch
mehr Engagement bei dem Bemühen, für unsere gespaltenen Kirchen und
Gesellschaften und unsere gespaltene Welt Gottes Gabe der Einheit und der
Versöhnung in Christus sichtbar zu machen. Die Art und Weise, wie unsere
lateinamerikanischen Gastgeber die Geschichte ihres Kampfes und ihrer
Hoffnung angesichts der Herausforderungen, mit denen ihr Kontinent
konfrontiert ist, dargestellt haben, hat uns Mut gemacht. Es wurde
allerdings auch Besorgnis geäußert angesichts der Ausgrenzung indigener
Völker und von Menschen afrikanischer Herkunft im Leben der Kirche und in
den Gesellschaften Lateinamerikas.
7. Wir sind daran erinnert worden, dass eine gespaltene Kirche in einer zerbrochenen Welt kein
glaubwürdiges Zeugnis ablegen kann; sie kann sich nicht gegen die Mächte
der Globalisierung erheben, die Auflösungstendenzen und
Orientierungslosigkeit hervorrufen, und sie kann nicht in einen relevanten
Dialog mit der Welt treten (Bericht des
Vorsitzenden, Abs. 17). Wir beten zu Gott: In
deiner Gnade, Gott, verwandle unser Leben, unsere Kirchen, unsere Länder und
unsere Welt. Alle Programme und
Aktivitäten des ÖRK müssen daher auf diesen veränderten Kontext eingehen
und sich bemühen, ein getreuer Ausdruck von Gottes Gerechtigkeit und seinem
Frieden, fürsorglichem Umgang mit der Schöpfung, Heilung, Versöhnung und
Erlösung zu sein also der Fülle des Lebens für alle.
III. Unsere Vision und unsere Ziele
8. In seinen Debatten und seiner Arbeit auf dieser ersten
Vollversammlung des 21. Jahrhunderts bekräftigte der Ausschuss für
Programmrichtlinien als Grundlage seiner Arbeit die Ziele und Funktionen
des ÖRK (wie sie in Artikel III der Verfassung festgelegt sind): Das
Hauptziel der Gemeinschaft der Kirchen im Ökumenischen Rat der Kirchen
besteht darin, einander zur sichtbaren Einheit in dem einen Glauben und der
einen eucharistischen Gemeinschaft aufzurufen, die ihren Ausdruck im
Gottesdienst und im gemeinsamen Leben in Christus findet, durch Zeugnis und
Dienst an der Welt, und auf diese Einheit zuzugehen, damit die Welt glaube. In diesem Artikel heißt es des Weiteren, es sei Ziel der Kirchen,
durch den Rat
·
das im Gebet getragene Streben nach Vergebung und
Versöhnung in einem Geist der gegenseitigen Rechenschaft, die Entwicklung
engerer Beziehungen durch den theologischen Dialog und das
Miteinanderteilen menschlicher, geistlicher und materieller Ressourcen zu
fördern;
·
das gemeinsame Zeugnis zu erleichtern; ihrer
Verpflichtung zur diakonia
Ausdruck zu verleihen, indem sie Menschen in Not dienen;
·
dazu beizutragen, daß sich ökumenisches Bewußtsein
entfaltet;
·
einander in ihren Beziehungen zu und mit Menschen
anderen Glaubens zu unterstützen; und
·
Erneuerung und Wachstum in Einheit, Gottesdienst,
Mission und Dienst zu fördern.
9. Diese Ziele und Funktionen machen deutlich, wie umfassend
die Vision des ÖRK ist, und sie bieten eine Grundlage für seine
programmatische Arbeit.
Beschlussfassung:
10. Die Neunte Vollversammlung bekräftigt das
Dokument Auf dem Weg zu einem
gemeinsamen Verständnis und einer gemeinsamen Vision des ÖRK (siehe Von Harare nach Porto Alegre, S.
175-181) als Ausdruck der Vision des ÖRK als einer Gemeinschaft von Kirchen
und ein Werkzeug der einen ökumenischen Bewegung. Es müssen Wege gefunden
werden, um das Dokument zugänglicher und verständlicher zu machen, damit es
sich die Kirchen und die ganze ökumenische Bewegung leichter zu Eigen
machen können.
IV. Leitlinien und Empfehlungen zur
Methode
11. Aufbauend auf dem sehr hilfreichen Material und den
Empfehlungen im Bericht über die Programmauswertung, der dem
Zentralausschuss 2005 vorgelegen hat (siehe Von Harare nach Porto Alegre,
S. 203-216), und ausgehend von den nachdrücklichen und ernüchternden
Empfehlungen des Finanzausschusses dieser Vollversammlung hinsichtlich der
voraussichtlichen finanziellen Situation des ÖRK in den kommenden Jahren
formulierte der Ausschuss für Programmrichtlinien sieben Leitlinien, nach
denen der ÖRK die Prioritäten seiner künftigen Programmarbeit ausrichten
sollte:
·
Der ÖRK sollte sich darauf konzentrieren, was allein
er als weltweite Gemeinschaft der Kirchen tun kann, indem er eine
Führungsrolle in der gesamten ökumenischen Bewegung übernimmt.
·
Der ÖRK sollte weniger tun und dies gut tun, in
einem integrierten, gemeinschaftlichen und interaktiven Ansatz.
·
Der ÖRK sollte dem Hauptziel der Gemeinschaft der
Kirchen, einander zur sichtbaren Einheit aufzurufen, mehr Gewicht geben.
·
Der ÖRK sollte die Dialog- und Fürsprachearbeit, den
Aufbau von Beziehungen und die Förderung des gesellschaftlichen Zeugnisses
unter den Kirchen und mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen im
Gleichgewicht halten.
·
Der ÖRK sollte ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl
und aktivere Beteiligung der Kirchen fördern, indem er soweit wie möglich
auf Initiativen von Kirchen und Partnerorganisationen aufbaut.
·
Der ÖRK sollte mit prophetischer Stimme und
prophetischem Zeugnis zur Welt sprechen und zielgerichtet auf die
dringenden Probleme unserer turbulenten Zeiten eingehen.
·
Der ÖRK sollte den Kirchen und der Welt zeitnah und
mit kreativen Mitteln über seine Aktivitäten berichten.
12. Der
Ausschuss für Programmrichtlinien benannte auch etliche methodische
Kriterien, nach denen sich Leben und Arbeit des ÖRK künftig richten sollten,
nämlich:
·
die Definition einer eindeutigen theologischen
Grundlage für seine gesamte Arbeit;
·
die Entwicklung eines umfassenden Planungs-,
Kontroll- und Evaluierungsprozesses einschließlich eines verbindlichen
Zeitrahmens und einer klar definierten Zielsetzung;
·
die Entwicklung einer Strategie für Kommunikation,
Engagement und Aneignung durch die Kirchen;
·
die Förderung der Koordinierungsrolle des ÖRK durch
den Ausbau der Partnerschaften, der Netzwerk- und Fürsprachearbeit mit
anderen ökumenischen Organisationen wie weltweiten christlichen
Gemeinschaften, regionalen ökumenischen Organisationen, nationalen
Kirchenräten, kirchlichen Werken und Diensten, Glaubensorganisationen und
Nichtregierungsorganisationen (nach Bedarf) in
der Hoffnung, dass viele dieser Programme in Gemeinschaftsarbeit umgesetzt
werden können;
·
den Ausbau der Kapazitäten bei Mitgliedskirchen und
ökumenischen Partnern;
·
die Begleitung von Kirchen und Völkern in kritischen
Situationen, um sie handlungsfähig zu machen und zu stärken.
Beschlussfassung:
13.
Die Neunte Vollversammlung des ÖRK stimmt diesen Leitlinien und
methodischen Kriterien als Grundlage für die Definition der künftigen
Programmprioritäten des Rates zu.
V. Wichtigste Arbeitsbereiche
14. Angesichts des sich verändernden Kontextes, der Vision
und der Zielsetzung des ÖRK, der Leitsätze und methodischen Kriterien
schlägt der Ausschuss vier wichtige interaktive Arbeitsbereiche für die zukünftige Gestaltung von Leben und
Arbeit
des ÖRK vor. Jeder dieser Schwerpunkte spiegelt sich bereits in den
gegenwärtigen Programmen des ÖRK wider. Es wird nun vorgeschlagen, die
derzeitigen Programme und die ständigen Kommissionen (Glauben und
Kirchenverfassung, Mission und Evangelisation, Internationale
Angelegenheiten) besser miteinander zu vernetzen und gleichzeitig für die
Ausweitung dieser Schwerpunkte in der Zukunft eine engere Zusammenarbeit
mit den heutigen ökumenischen Partnern und den kirchlichen Diensten und
Werken anzustreben.
15. Als Einführung in die Arbeitsbereiche sind drei weitere
Punkte zu nennen:
·
Der Ausschuss unterstützt mit Nachdruck die
Vorbereitung junger Menschen auf ökumenische Führungsaufgaben innerhalb des
ÖRK, einschließlich der vollen Beteiligung von jungen Menschen an allen
zukünftigen Programmen des ÖRK. Ihre Stimmen, ihre Anliegen und ihre
Präsenz müssen direkter in den Entscheidungsprozessen und der Leitung der
künftigen Arbeit und Geschäfte des ÖRK zum Tragen kommen.
·
Der Ausschuss bestätigt und würdigt weiterhin die
Rolle und die Beiträge von Frauen in allen Bereichen und Foren innerhalb
des ÖRK und unterstützt die ständige Beteiligung von Frauen im gesamten
Rat.
·
Der Ausschuss fordert dringend, dass der ÖRK eine
uneingeschränkte Einbeziehung von indigenen Völkern und Dalits, Menschen
afrikanischer Herkunft, Menschen mit Behinderungen und Marginalisierten auf
der ganzen Welt in sein Leben, seine Arbeit und seine Entscheidungsprozesse
anstrebt.
Einheit, Spiritualität und Mission
16. Die Suche nach Einheit und die Arbeit an der gemeinsamen
Mission und Evangelisation waren wesentliche Gründungselemente der
ökumenischen Bewegung. Innerhalb des ÖRK hat sich ein neues Verständnis von
Einheit und ein neues Verständnis von Mission herausgebildet, und zwar in
dem Maße wie die Mitgliedskirchen ihre Beziehungen untereinander vertieften
und zunehmenden Kontakt zu vielen anderen Theologien, Ekklesiologien und
Traditionen hatten. Die zukünftige Arbeit im Bereich Mission und
Evangelisation sollte die Kirchen in die Verantwortung nehmen, im Blick auf
ihre Bereitschaft, nach neuen Formen kirchlichen Lebens, anderen
Möglichkeiten, den christlichen Glauben zu erfahren, neuen kontextuellen
Ansätzen der Evangeliumsverkündigung, einschließlich einer kritischen
Haltung gegenüber auf Wettbewerb ausgerichteten Missionsaktivitäten, zu
suchen.
17. Hier in Porto Alegre ist es dringender und
offensichtlicher denn je, dass der ÖRK und seine Mitgliedskirchen sich mit
dem Wesen der christlichen Spiritualität und dem Wirken des Heiligen
Geistes in der Kirche und in der Welt befassen müssen, um der Integrität
unserer Arbeit für sichtbare Einheit und unserer Mission in der Welt
willen. Einheit, Spiritualität und Mission stehen in einer
Wechselbeziehung, die nur funktionieren kann, wenn der ÖRK und seine Mitgliedskirchen
allen drei Bereichen spezifisch und konsequent ihre Aufmerksamkeit
schenken.
Ökumenische Ausbildung
18. Die ökumenische Ausbildung gehört zu den
Fragestellungen, mit denen die gesamte ökumenische Bewegung gegenwärtig
konfrontiert ist. In diesem Zusammenhang stellt der Generalsekretär in
seinem Bericht an die Vollversammlung fest: Wenn heute Christen und darunter auch die Führungskräfte und die Mitarbeitenden
der Kirchen, den Wunsch haben, kreativ und verantwortlich
an der Suche nach Einheit teilzunehmen und gemeinsam zu wachsen, müssen
Möglichkeiten ökumenischer Ausbildung geboten werden, die sie befähigen,
mehr und fundierter zu unserem Zusammenleben beizutragen. Dies gilt in unseren Kirchen insbesondere für Studierende,
junge Erwachsene, Laien und Frauen, die in der ökumenischen Bewegung des
21. Jahrhunderts zunehmend Leitungsfunktionen übernehmen.
19. Das Ökumenische Institut des ÖRK in Bossey wurde als
Modell für die ökumenische Ausbildung herausgestellt, besonders was die
Anstrengungen der letzten Jahre angeht, das Programm so zu erweitern, dass
auch Evangelikale und Pfingstler an den Kursen und Seminaren des Instituts
teilnehmen, sowie die interreligiösen Begegnungen zu intensivieren. Eine
weitere Chance könnte darin bestehen, Kirchen und ökumenischen Partnern
einen Rahmen zu geben, in dem sie sich, unter Einbeziehung anderer Bereiche
des ÖRK, über ihre Arbeit im Blick auf die Anfragen von Naturwissenschaft
und Technik an den Glauben austauschen können. Diese Trends geben einen Eindruck
davon, wohin der Weg führen könnte, und sie sind Anlass zur Hoffnung.
20. In den Bereich der ökumenischen Ausbildung gehört auch
die Rolle des ÖRK, geschützte Räume anzubieten, in denen
Begegnungen zwischen Kulturen und theologischen Haltungen stattfinden
können, die eine aufrichtige Auseinandersetzung mit Themen ermöglichen, die
unsere Kirchen und Gemeinschaften spalten, so insbesondere die Fortsetzung
des Dialogs über Fragen wie Familienleben und menschliche Sexualität.
Umfassende Gerechtigkeit
21. Immer wieder wurde auf dieser Vollversammlung
nachdrücklich zur Zusammenarbeit in der ökumenischen Bewegung aufgerufen,
um ein dynamisches, globales Verständnis von Gerechtigkeit entwickeln zu
können. Gerechtigkeit setzt eine Veränderung der Beziehungen auf allen
Ebenen des Lebens in der Gesellschaft und in der Natur voraus, damit ein
Leben in Würde in gerechten und bestandfähigen Gemeinschaften möglich ist
(transformative Gerechtigkeit), welche
·
diejenigen berücksichtigen, die unter den Folgen von
Unrecht, Rassismus und Kastenwesen leiden;
·
den Skandal einer Welt anprangern, die durch Gräben
zwischen Armen und Reichen gespalten ist, und die zur Verwandlung
ungerechter Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen beitragen;
·
den sorgsamen Umgang mit der Schöpfung einschließen
und die vom Glauben geprägten Einsichten zu Ge- und Missbrauch von
Wissenschaft und neuen Technologien berücksichtigen, wie Biotechnologie,
Informationstechnologie, Energietechnologie usw.;
·
die Reaktion der Kirchen auf HIV/AIDS hinterfragen
und unterstützen;
·
in prophetischer Diakonie unmissverständlich ihre
Stimme erheben als unersetzbares Element der christlichen
Identität und des christlichen Zeugnisses in der Gesellschaft, angefangen
beim Leben in Familie und Gemeinwesen;
·
sich für Wege zur Konfliktlösung und Versöhnung
einsetzen.
Diese Arbeit erfordert, dass der ÖRK und seine Mitgliedskirchen
unsere Programme so umgestalten müssen, dass sie gezielter zum
Aufbau wirklich inklusiver und gerechter Gemeinschaften beitragen, welche
die Vielfalt respektieren, die Interaktion von verschiedenen Identitäten
und dem Streben nach Einheit erlauben und die Rechte und Pflichten aller in
Liebe und Gemeinschaft achten (Bericht
des Generalsekretärs, S. 16).
Öffentliche Stimme und prophetisches
Zeugnis in der Welt
22. Der ÖRK steht vor der Herausforderung, in Erfüllung
seiner historischen Verantwortung im Auftrag der Mitgliedskirchen eine
starke, glaubwürdige ethische Stimme zu sein, die vor der Welt prophetisch
Zeugnis ablegt. Wenn die Kirchen sich unter den vielen wetteifernden
Stimmen Gehör verschaffen wollen, müssen diese Stimme und dieses Zeugnis
spirituell und theologisch fest verankert sein. Die Kirchen haben einen
Beitrag zu leisten zur Stärkung der multilateralen internationalen
Zusammenarbeit sowie der internationalen Achtung der Rechtsstaatlichkeit im
Umgang mit den Menschenrechten, mit Militarismus und der friedlichen Lösung
von Konflikten.
23. Auf dieser Vollversammlung wurde nachdrücklich erklärt,
dass die Kirchen und der ÖRK dringend die Zusammenarbeit und den Dialog auf
der interreligiösen Ebene suchen müssen. Für das zukünftige Engagement mit
anderen Religionen ist es wichtig, dass der ÖRK seine Arbeit im Kontext der
religiösen Vielfalt fortsetzt und Dialog und gemeinsames Handeln im Blick
auf politische, gesellschaftliche, theologische und ethische Themen
fördert.
24. Diese Vollversammlung fiel mit der Halbzeit der von der
Vollversammlung in Harare initiierten Dekade zur Überwindung von Gewalt zusammen.
Der Ausschuss betonte, dass in der zweiten Hälfte der Dekade die Vernetzung
lokaler und regionaler Friedensinitiativen verstärkt ihr Echo in der
Programmarbeit des ÖRK finden sollte. Zusätzlich zu den regionalen
Schwerpunkten sollte die Dekade zur Überwindung von Gewalt (DOV) auch
schweren Krisen wie etwa in Norduganda und Haiti Aufmerksamkeit schenken.
Beschlussfassung:
25. Die Neunte Vollversammlung bestätigt diese vier
Arbeitsbereiche für die zukünftige Gestaltung des Lebens und Wirkens des
ÖRK.
Beschlussfassung:
26. Insbesondere möchte die Neunte Vollversammlung im Blick
auf spezifische Programmbereiche, die im Rahmen dieser vier Arbeitsbereiche bestimmt wurden,
·
bekräftigen, dass den Themen
Einheit, Spiritualität und Mission sowohl theologisch als auch praktisch
besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Der ÖRK und seine
Mitgliedskirchen werden dazu ermutigt, die schwierigen ekklesiologischen
Fragen, die im Bericht der Sonderkommission zur orthodoxen Mitarbeit im ÖRK
dargelegt werden, zu erörtern und die Fragen der Einheit und Katholizität,
der Taufe und des Gebets prioritär zu behandeln;
·
die Kirchen auf lokaler, nationaler,
regionaler und globaler Ebene ermutigen, sich für die
Fortsetzung der ökumenische Ausbildung für alle einzusetzen. In dieser
Rolle sollte der ÖRK einen Dialog und eine mögliche Zusammenarbeit
initiieren und erleichtern, und zwar zwischen religiösen und politischen
Akteuren über die Rolle der Kirche in der Zivilgesellschaft und zwischen
den Religionen in Bereichen des gegenseitigen Verständnisses; 2
·
bekräftigen, dass eine
Weiterverfolgung des AGAPE-Prozesses unternommen und ausgeweitet werden
soll, in Zusammenarbeit mit anderen ökumenischen Partnern und
Organisationen, um (1) eine theologische Reflexion über diese Themen zu
führen, die sich aus der Mitte unseres Glaubens heraus ergeben; (2) solide
politische, wirtschaftliche und soziale Analysen durchzuführen; (3) einen
ständigen Dialog zwischen religiösen, wirtschaftlichen und politischen
Akteuren zu unterhalten; und (4) praktische, positive Ansätze aus den
Kirchen auszutauschen; 3
·
im Hinblick auf die zweite Hälfte der
Dekade (DOV) unterstützen, dass die
regionalen Schwerpunkte weitergeführt werden; dass mehr erfolgreiche
Beispiele ausgetauscht werden, um die Kirchen und die Ortsgemeinden zu
ermutigen, in ihrem eigenen Kontext auf die Überwindung von Gewalt zu
reagieren; dass ein breiter Konsultationsprozess initiiert wird hin zur
Ausarbeitung einer ökumenischen Erklärung über gerechten Frieden; und schließlich, dass zum
Abschluss der Dekade zur Überwindung von Gewalt im Jahr 2010 eine
internationale ökumenische Friedensversammlung organisiert wird.
VI. Planung für die Zeit nach der
Vollversammlung
27. In der Zeit zwischen der Vollversammlung und der Tagung
des Zentralausschusses 2006 wird, unter Leitung der ÖRK-Führung und durch
Konsultationen mit Kirchen und wichtigen ökumenischen Partnern intensiv
darüber nachgedacht, wie die Leitlinien der Vollversammlung umgesetzt
werden können und wie die Programmarbeit zu gestalten ist.
Beschlussfassungen:
28. Im Blick auf ihre Aufgabe, die zukünftige Programmarbeit
des ÖRK zu gestalten, billigt die Neunte Vollversammlung die
folgenden Verfahren:
- Eine Arbeitsgruppe aus den
Vorsitzenden des Ausschusses für Programmrichtlinien, des
Weisungsausschusses für Grundsatzfragen, des Ausschusses für
öffentliche Angelegenheiten und des Finanzausschusses der
Vollversammlung wird damit beauftragt, der ÖRK-Leitung bei der
Ausarbeitung zukünftiger Programmempfehlungen zur Seite zu stehen.
- Für jedes Programm werden
klare, gut funktionierende Planungs-, Kontroll- und
Auswertungsmechanismen geschaffen.
- Es wird klar unterschieden
zwischen langfristigen, zeitlich befristeten oder besonders dringenden
Aufgaben.
- Für jedes Programm wird
eine Strategie der wechselseitigen Kommunikation ausgearbeitet, die in
der Arbeit mit den verschiedenen Mitgliederkreisen auch angewandt
wird.
- Für das schrittweise
Auslaufen, die Neugestaltung und die Neukonzipierung von Programmen
werden klare Ausstiegsstrategien geschaffen, unter Berücksichtigung
der begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen des ÖRK und der
Möglichkeiten der Zusammenarbeit und gemeinsamen Verantwortung mit
anderen ökumenischen Partnern.
- Mit den Mitgliedskirchen und
den kirchlichen Diensten und Werken wird ein nachhaltiger Dialog
geführt über Wege, zusätzliche finanzielle Unterstützung für die
Programmarbeit des ÖRK zu erhalten.
29.
Die Neunte Vollversammlung erklärt, dass der ÖRK sich in seinem
Zeugnis in der Welt klarer und stärker öffentlich profilieren sollte. In
diesem Sinne steht zu hoffen, dass der ÖRK seine Energie und Aufmerksamkeit
auf eine beschränkte Anzahl von Themen richten wird, die nach einer
gemeinsamen Antwort der Kirchen verlangen. HIV/AIDS (einschließlich der
ekklesiologischen Implikationen dieser Pandemie in den meisten Teilen
unserer Welt) sollte eines dieser Themen sein.
1 Bischöfin Bärbel
Wartenberg-Potter, Delegierte der Evangelischen Kirche in Deutschland,
äußerte eine abweichende Meinung in dem Sinne, dass der Beschluss des Zentralausschusses
zum gemeinsamen Gebet Gottes Geist darin behindere, in
vielfältigen und inklusiven Bildern und Symbolen zu sprechen.
2 Hulda
Gudmundsdottir, Delegierte der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Island, beantragte,
am Ende des ersten Satzes die Worte und sich
dabei auch mit spaltenden Fragen wie menschliche Sexualität befassen
hinzuzufügen; Vier Delegierte beantragten, am Ende des ersten Satzes die
Worte und sich dabei speziell auf junge Menschen, Frauen, Menschen mit
Behinderungen, indigene Völker, Dalits und Menschen afrikanischer
Abstammung zu konzentrieren" hinzuzufügen. Es handelte sich um: Carmen
Landsdowne, Delegierte der Vereinigten Kirche von Kanada; Pfrin. Robina
Winbush, Presbyterianische Kirche (USA); Pfr. Dr. Tyrone Pitts,
Progressiver Nationaler Baptistenbund, e.V. (USA); David Palopaa, Kirche
von Schweden.
3 Eine
abweichende Meinung von Klaus Heidel, Delegierter der Evangelischen Kirche
in Deutschland, wurde zu Protokoll genommen. Er war der Meinung, das
Hauptgewicht der Empfehlung müsse auf konkrete Aktivitäten und Aktionen
gelegt werden.
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