Dokument n° PCG 02Angenommen

Bericht des Ausschusses für Programmrichtlinien

Der folgende Bericht wurde der Vollversammlung vorgelegt und von ihr entgegengenommen.Die darin enthaltenen Beschlussfassungen wurden vom Ausschuss für Programmrichtlinien vorgeschlagen und von der Vollversammlung im Konsens gebilligt. Abweichende Meinungen von Vollversammlungsdelegierten erscheinen als Endnoten.

I. Einleitung

1. Eine der Hauptaufgaben der Vollversammlungen des Ökumenischen Rates der Kirchen ist die Überprüfung der Arbeit und der Aktivitäten des Rates seit der letzten Vollversammlung, um Leitlinien und Prioritäten für das künftige Programm des ÖRK bestimmen zu können.

 

2. Der Ausschuss für Programmrichtlinien dieser Vollversammlung hat seine Aufgabe ernst genommen und als Ausgangspunkt für seine Beratungen den Bericht Von Harare nach Porto Alegre, den Bericht über die Programmauswertung vor der Vollversammlung und die entsprechenden Empfehlungen des Zentralausschusses 2005 sowie ein vom Mitarbeiterstab verfasstes Hintergrunddokument mit dem Titel A Changing World (Eine Welt im Wandel) herangezogen. Jedes der Ausschussmitglieder hat auch an einem der Ökumenischen Gespräche teilgenommen, um zu hören, was die Vollversammlungsdelegierten zu den künftigen ÖRK-Prioritäten zu sagen hatten. Und schließlich hat der Ausschuss die Berichte des Vorsitzenden und des Generalsekretärs, die thematischen Plenarveranstaltungen, die Hearings sowie zahlreiche Vorschläge und Anregungen aus den Mutirão-Veranstaltungen und von Gruppen aus der ÖRK-Gemeinschaft aufgenommen und erörtert in dem Bemühen, die Meinung der Vollversammlung und den Ruf Gottes im Blick auf die einzigartige Rolle zu erkennen, die dem ÖRK in der ökumenischen Bewegung zukommt.

 

 

3. Der Ausschuss legt seinen Bericht in dem Bewusstsein vor, dass der Weisungsausschuss für Grundsatzfragen mehrere wichtige Programminitiativen überprüft hat und ansprechen wird, die seit der Vollversammlung in Harare im Zusammenhang mit der Stärkung und Vertiefung der Beziehungen zwischen den Mitgliedskirchen (z.B. die Sonderkommission zur orthodoxen Mitarbeit im ÖRK) sowie zu ökumenischen Partnern und zu anderen christlichen Kirchen (z.B. Gemeinsame Arbeitsgruppe des ÖRK und der römisch-katholischen Kirche, Pfingstkirchen etc.) ergriffen wurden.

 

 

4. Es ist dem Ausschuss nicht möglich, den ganzen Reichtum der Beiträge, die ihm vorgelegen haben, in seinem Bericht an die Vollversammlung wiederzugeben, doch werden wesentliche Materialien einschließlich der Berichte der 22 Ökumenischen Gespräche, der Erklärungen von Gruppen der ÖRK-Gemeinschaft (Jugend, indigene Völker und Menschen mit Behinderungen) sowie der verschiedenen Vorschläge zu spezifischen Themen aus den Mutirão-Workshops an die künftigen Leitungsorgane des ÖRK weitergeleitet, die die wichtige Aufgabe haben, spezifische künftige Programme für den ÖRK auszuarbeiten. Die in diesen Materialien enthaltenen Informationen werden den Leitungsgremien helfen, die allgemeinen Leitlinien dieses Berichts in Programme umzusetzen.

 

Beschlussfassung:

5. Die Neunte Vollversammlung nimmt den Bericht Von Harare nach Porto Alegre sowie die Programmauswertung vor der Vollversammlung und die Empfehlungen des Zentralausschusses 2005 anerkennend entgegen.1

II. Der Kontext unserer Arbeit

6. Die Vollversammlung von Porto Alegre fand vor dem Hintergrund einer Welt statt, die sich rapide verändert. Dies ist der Schauplatz, an dem die Kirchen vor dem Hintergrund sich verändernder Kontexte ihren Auftrag und ihre Berufung erfüllen sollen. Die Veränderungen vollziehen sich überall, und sie sind alle miteinander verknüpft: Die kirchlichen und ökumenischen Kontexte verändern sich (einschließlich der kirchlichen Geographie, der Statistiken und der Säkularisierung) ebenso wie die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Kontexte (einschließlich zunehmender Ungleichheit, Umweltzerstörung, Migration, Gewalt und Terror). Diese Veränderungen stellen eine ungeheure Herausforderung für die Kirchen und den ÖRK dar; sie erfordern einen mutigen Blick in die Zukunft und noch mehr Engagement bei dem Bemühen, für unsere gespaltenen Kirchen und Gesellschaften und unsere gespaltene Welt Gottes Gabe der Einheit und der Versöhnung in Christus sichtbar zu machen. Die Art und Weise, wie unsere lateinamerikanischen Gastgeber die Geschichte ihres Kampfes und ihrer Hoffnung angesichts der Herausforderungen, mit denen ihr Kontinent konfrontiert ist, dargestellt haben, hat uns Mut gemacht. Es wurde allerdings auch Besorgnis geäußert angesichts der Ausgrenzung indigener Völker und von Menschen afrikanischer Herkunft im Leben der Kirche und in den Gesellschaften Lateinamerikas.

 

 

7. Wir sind daran erinnert worden, dass eine gespaltene Kirche in einer zerbrochenen Welt kein glaubwürdiges Zeugnis ablegen kann; sie kann sich nicht gegen die Mächte der Globalisierung erheben, die Auflösungstendenzen und Orientierungslosigkeit hervorrufen, und sie kann nicht in einen relevanten Dialog mit der Welt treten (Bericht des Vorsitzenden, Abs. 17). Wir beten zu Gott: In deiner Gnade, Gott, verwandle unser Leben, unsere Kirchen, unsere Länder und unsere Welt. Alle Programme und Aktivitäten des ÖRK müssen daher auf diesen veränderten Kontext eingehen und sich bemühen, ein getreuer Ausdruck von Gottes Gerechtigkeit und seinem Frieden, fürsorglichem Umgang mit der Schöpfung, Heilung, Versöhnung und Erlösung zu sein also der Fülle des Lebens für alle.

III. Unsere Vision und unsere Ziele

 

8. In seinen Debatten und seiner Arbeit auf dieser ersten Vollversammlung des 21. Jahrhunderts bekräftigte der Ausschuss für Programmrichtlinien als Grundlage seiner Arbeit die Ziele und Funktionen des ÖRK (wie sie in Artikel III der Verfassung festgelegt sind): Das Hauptziel der Gemeinschaft der Kirchen im Ökumenischen Rat der Kirchen besteht darin, einander zur sichtbaren Einheit in dem einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft aufzurufen, die ihren Ausdruck im Gottesdienst und im gemeinsamen Leben in Christus findet, durch Zeugnis und Dienst an der Welt, und auf diese Einheit zuzugehen, damit die Welt glaube. In diesem Artikel heißt es des Weiteren, es sei Ziel der Kirchen, durch den Rat

·         das im Gebet getragene Streben nach Vergebung und Versöhnung in einem Geist der gegenseitigen Rechenschaft, die Entwicklung engerer Beziehungen durch den theologischen Dialog und das Miteinanderteilen menschlicher, geistlicher und materieller Ressourcen zu fördern;

·         das gemeinsame Zeugnis zu erleichtern; ihrer Verpflichtung zur diakonia Ausdruck zu verleihen, indem sie Menschen in Not dienen;

·         dazu beizutragen, daß sich ökumenisches Bewußtsein entfaltet;

·         einander in ihren Beziehungen zu und mit Menschen anderen Glaubens zu unterstützen; und

·         Erneuerung und Wachstum in Einheit, Gottesdienst, Mission und Dienst zu fördern.

 

9. Diese Ziele und Funktionen machen deutlich, wie umfassend die Vision des ÖRK ist, und sie bieten eine Grundlage für seine programmatische Arbeit.

 

 

Beschlussfassung:

 

10. Die Neunte Vollversammlung bekräftigt das Dokument Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis und einer gemeinsamen Vision des ÖRK (siehe Von Harare nach Porto Alegre, S. 175-181) als Ausdruck der Vision des ÖRK als einer Gemeinschaft von Kirchen und ein Werkzeug der einen ökumenischen Bewegung. Es müssen Wege gefunden werden, um das Dokument zugänglicher und verständlicher zu machen, damit es sich die Kirchen und die ganze ökumenische Bewegung leichter zu Eigen machen können.

 

IV. Leitlinien und Empfehlungen zur Methode

 

11. Aufbauend auf dem sehr hilfreichen Material und den Empfehlungen im Bericht über die Programmauswertung, der dem Zentralausschuss 2005 vorgelegen hat (siehe Von Harare nach Porto Alegre, S. 203-216), und ausgehend von den nachdrücklichen und ernüchternden Empfehlungen des Finanzausschusses dieser Vollversammlung hinsichtlich der voraussichtlichen finanziellen Situation des ÖRK in den kommenden Jahren formulierte der Ausschuss für Programmrichtlinien sieben Leitlinien, nach denen der ÖRK die Prioritäten seiner künftigen Programmarbeit ausrichten sollte:

·         Der ÖRK sollte sich darauf konzentrieren, was allein er als weltweite Gemeinschaft der Kirchen tun kann, indem er eine Führungsrolle in der gesamten ökumenischen Bewegung übernimmt.

·         Der ÖRK sollte weniger tun und dies gut tun, in einem integrierten, gemeinschaftlichen und interaktiven Ansatz.

·         Der ÖRK sollte dem Hauptziel der Gemeinschaft der Kirchen, einander zur sichtbaren Einheit aufzurufen, mehr Gewicht geben.

·         Der ÖRK sollte die Dialog- und Fürsprachearbeit, den Aufbau von Beziehungen und die Förderung des gesellschaftlichen Zeugnisses unter den Kirchen und mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen im Gleichgewicht halten.

·         Der ÖRK sollte ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl und aktivere Beteiligung der Kirchen fördern, indem er soweit wie möglich auf Initiativen von Kirchen und Partnerorganisationen aufbaut.

·         Der ÖRK sollte mit prophetischer Stimme und prophetischem Zeugnis zur Welt sprechen und zielgerichtet auf die dringenden Probleme unserer turbulenten Zeiten eingehen.

·         Der ÖRK sollte den Kirchen und der Welt zeitnah und mit kreativen Mitteln über seine Aktivitäten berichten. 

12. Der Ausschuss für Programmrichtlinien benannte auch etliche methodische Kriterien, nach denen sich Leben und Arbeit des ÖRK künftig richten sollten, nämlich:

·         die Definition einer eindeutigen theologischen Grundlage für seine gesamte Arbeit;

·         die Entwicklung eines umfassenden Planungs-, Kontroll- und Evaluierungsprozesses einschließlich eines verbindlichen Zeitrahmens und einer klar definierten Zielsetzung;

·         die Entwicklung einer Strategie für Kommunikation, Engagement und Aneignung durch die Kirchen;

·         die Förderung der Koordinierungsrolle des ÖRK durch den Ausbau der Partnerschaften, der Netzwerk- und Fürsprachearbeit mit anderen ökumenischen Organisationen wie weltweiten christlichen Gemeinschaften, regionalen ökumenischen Organisationen, nationalen Kirchenräten, kirchlichen Werken und Diensten, Glaubensorganisationen und Nichtregierungsorganisationen (nach Bedarf) in der Hoffnung, dass viele dieser Programme in Gemeinschaftsarbeit umgesetzt werden können;

·         den Ausbau der Kapazitäten bei Mitgliedskirchen und ökumenischen Partnern;

·         die Begleitung von Kirchen und Völkern in kritischen Situationen, um sie handlungsfähig zu machen und zu stärken. 

Beschlussfassung: 

13. Die Neunte Vollversammlung des ÖRK stimmt diesen Leitlinien und methodischen Kriterien als Grundlage für die Definition der künftigen Programmprioritäten des Rates zu.

V. Wichtigste Arbeitsbereiche

 

14. Angesichts des sich verändernden Kontextes, der Vision und der Zielsetzung des ÖRK, der Leitsätze und methodischen Kriterien schlägt der Ausschuss vier wichtige interaktive Arbeitsbereiche für die zukünftige Gestaltung von Leben und Arbeit des ÖRK vor. Jeder dieser Schwerpunkte spiegelt sich bereits in den gegenwärtigen Programmen des ÖRK wider. Es wird nun vorgeschlagen, die derzeitigen Programme und die ständigen Kommissionen (Glauben und Kirchenverfassung, Mission und Evangelisation, Internationale Angelegenheiten) besser miteinander zu vernetzen und gleichzeitig für die Ausweitung dieser Schwerpunkte in der Zukunft eine engere Zusammenarbeit mit den heutigen ökumenischen Partnern und den kirchlichen Diensten und Werken anzustreben.

 

15. Als Einführung in die Arbeitsbereiche sind drei weitere Punkte zu nennen:

·         Der Ausschuss unterstützt mit Nachdruck die Vorbereitung junger Menschen auf ökumenische Führungsaufgaben innerhalb des ÖRK, einschließlich der vollen Beteiligung von jungen Menschen an allen zukünftigen Programmen des ÖRK. Ihre Stimmen, ihre Anliegen und ihre Präsenz müssen direkter in den Entscheidungsprozessen und der Leitung der künftigen Arbeit und Geschäfte des ÖRK zum Tragen kommen.

·         Der Ausschuss bestätigt und würdigt weiterhin die Rolle und die Beiträge von Frauen in allen Bereichen und Foren innerhalb des ÖRK und unterstützt die ständige Beteiligung von Frauen im gesamten Rat.

·         Der Ausschuss fordert dringend, dass der ÖRK eine uneingeschränkte Einbeziehung von indigenen Völkern und Dalits, Menschen afrikanischer Herkunft, Menschen mit Behinderungen und Marginalisierten auf der ganzen Welt in sein Leben, seine Arbeit und seine Entscheidungsprozesse anstrebt.

Einheit, Spiritualität und Mission

 

16. Die Suche nach Einheit und die Arbeit an der gemeinsamen Mission und Evangelisation waren wesentliche Gründungselemente der ökumenischen Bewegung. Innerhalb des ÖRK hat sich ein neues Verständnis von Einheit und ein neues Verständnis von Mission herausgebildet, und zwar in dem Maße wie die Mitgliedskirchen ihre Beziehungen untereinander vertieften und zunehmenden Kontakt zu vielen anderen Theologien, Ekklesiologien und Traditionen hatten. Die zukünftige Arbeit im Bereich Mission und Evangelisation sollte die Kirchen in die Verantwortung nehmen, im Blick auf ihre Bereitschaft, nach neuen Formen kirchlichen Lebens, anderen Möglichkeiten, den christlichen Glauben zu erfahren, neuen kontextuellen Ansätzen der Evangeliumsverkündigung, einschließlich einer kritischen Haltung gegenüber auf Wettbewerb ausgerichteten Missionsaktivitäten, zu suchen.

 

17. Hier in Porto Alegre ist es dringender und offensichtlicher denn je, dass der ÖRK und seine Mitgliedskirchen sich mit dem Wesen der christlichen Spiritualität und dem Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche und in der Welt befassen müssen, um der Integrität unserer Arbeit für sichtbare Einheit und unserer Mission in der Welt willen. Einheit, Spiritualität und Mission stehen in einer Wechselbeziehung, die nur funktionieren kann, wenn der ÖRK und seine Mitgliedskirchen allen drei Bereichen spezifisch und konsequent ihre Aufmerksamkeit schenken.

Ökumenische Ausbildung

 

18. Die ökumenische Ausbildung gehört zu den Fragestellungen, mit denen die gesamte ökumenische Bewegung gegenwärtig konfrontiert ist. In diesem Zusammenhang stellt der Generalsekretär in seinem Bericht an die Vollversammlung fest: Wenn heute Christen und darunter auch die Führungskräfte und die Mitarbeitenden der Kirchen, den Wunsch haben, kreativ und verantwortlich an der Suche nach Einheit teilzunehmen und gemeinsam zu wachsen, müssen Möglichkeiten ökumenischer Ausbildung geboten werden, die sie befähigen, mehr und fundierter zu unserem Zusammenleben beizutragen. Dies gilt in unseren Kirchen insbesondere für Studierende, junge Erwachsene, Laien und Frauen, die in der ökumenischen Bewegung des 21. Jahrhunderts zunehmend Leitungsfunktionen übernehmen.

 

 

19. Das Ökumenische Institut des ÖRK in Bossey wurde als Modell für die ökumenische Ausbildung herausgestellt, besonders was die Anstrengungen der letzten Jahre angeht, das Programm so zu erweitern, dass auch Evangelikale und Pfingstler an den Kursen und Seminaren des Instituts teilnehmen, sowie die interreligiösen Begegnungen zu intensivieren. Eine weitere Chance könnte darin bestehen, Kirchen und ökumenischen Partnern einen Rahmen zu geben, in dem sie sich, unter Einbeziehung anderer Bereiche des ÖRK, über ihre Arbeit im Blick auf die Anfragen von Naturwissenschaft und Technik an den Glauben austauschen können. Diese Trends geben einen Eindruck davon, wohin der Weg führen könnte, und sie sind Anlass zur Hoffnung.

 

 

20. In den Bereich der ökumenischen Ausbildung gehört auch die Rolle des ÖRK, geschützte Räume anzubieten, in denen Begegnungen zwischen Kulturen und theologischen Haltungen stattfinden können, die eine aufrichtige Auseinandersetzung mit Themen ermöglichen, die unsere Kirchen und Gemeinschaften spalten, so insbesondere die Fortsetzung des Dialogs über Fragen wie Familienleben und menschliche Sexualität.

Umfassende Gerechtigkeit

 

21. Immer wieder wurde auf dieser Vollversammlung nachdrücklich zur Zusammenarbeit in der ökumenischen Bewegung aufgerufen, um ein dynamisches, globales Verständnis von Gerechtigkeit entwickeln zu können. Gerechtigkeit setzt eine Veränderung der Beziehungen auf allen Ebenen des Lebens in der Gesellschaft und in der Natur voraus, damit ein Leben in Würde in gerechten und bestandfähigen Gemeinschaften möglich ist (transformative Gerechtigkeit), welche

·         diejenigen berücksichtigen, die unter den Folgen von Unrecht, Rassismus und Kastenwesen leiden;

·         den Skandal einer Welt anprangern, die durch Gräben zwischen Armen und Reichen gespalten ist, und die zur Verwandlung ungerechter Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen beitragen;

·         den sorgsamen Umgang mit der Schöpfung einschließen und die vom Glauben geprägten Einsichten zu Ge- und Missbrauch von Wissenschaft und neuen Technologien berücksichtigen, wie Biotechnologie, Informationstechnologie, Energietechnologie usw.;

·         die Reaktion der Kirchen auf HIV/AIDS hinterfragen und unterstützen;

·         in prophetischer Diakonie unmissverständlich ihre Stimme erheben als unersetzbares Element der christlichen Identität und des christlichen Zeugnisses in der Gesellschaft, angefangen beim Leben in Familie und Gemeinwesen;

·         sich für Wege zur Konfliktlösung und Versöhnung einsetzen.

 

Diese Arbeit erfordert, dass der ÖRK und seine Mitgliedskirchen unsere Programme so umgestalten müssen, dass sie gezielter zum Aufbau wirklich inklusiver und gerechter Gemeinschaften beitragen, welche die Vielfalt respektieren, die Interaktion von verschiedenen Identitäten und dem Streben nach Einheit erlauben und die Rechte und Pflichten aller in Liebe und Gemeinschaft achten (Bericht des Generalsekretärs, S. 16).

Öffentliche Stimme und prophetisches Zeugnis in der Welt

 

22. Der ÖRK steht vor der Herausforderung, in Erfüllung seiner historischen Verantwortung im Auftrag der Mitgliedskirchen eine starke, glaubwürdige ethische Stimme zu sein, die vor der Welt prophetisch Zeugnis ablegt. Wenn die Kirchen sich unter den vielen wetteifernden Stimmen Gehör verschaffen wollen, müssen diese Stimme und dieses Zeugnis spirituell und theologisch fest verankert sein. Die Kirchen haben einen Beitrag zu leisten zur Stärkung der multilateralen internationalen Zusammenarbeit sowie der internationalen Achtung der Rechtsstaatlichkeit im Umgang mit den Menschenrechten, mit Militarismus und der friedlichen Lösung von Konflikten.

 

 

23. Auf dieser Vollversammlung wurde nachdrücklich erklärt, dass die Kirchen und der ÖRK dringend die Zusammenarbeit und den Dialog auf der interreligiösen Ebene suchen müssen. Für das zukünftige Engagement mit anderen Religionen ist es wichtig, dass der ÖRK seine Arbeit im Kontext der religiösen Vielfalt fortsetzt und Dialog und gemeinsames Handeln im Blick auf politische, gesellschaftliche, theologische und ethische Themen fördert.

 

 

24. Diese Vollversammlung fiel mit der Halbzeit der von der Vollversammlung in Harare initiierten Dekade zur Überwindung von Gewalt zusammen. Der Ausschuss betonte, dass in der zweiten Hälfte der Dekade die Vernetzung lokaler und regionaler Friedensinitiativen verstärkt ihr Echo in der Programmarbeit des ÖRK finden sollte. Zusätzlich zu den regionalen Schwerpunkten sollte die Dekade zur Überwindung von Gewalt (DOV) auch schweren Krisen wie etwa in Norduganda und Haiti Aufmerksamkeit schenken.

 

 

 

Beschlussfassung:

 

25. Die Neunte Vollversammlung bestätigt diese vier Arbeitsbereiche für die zukünftige Gestaltung des Lebens und Wirkens des ÖRK.

 

Beschlussfassung:

 

26. Insbesondere möchte die Neunte Vollversammlung im Blick auf spezifische Programmbereiche, die im Rahmen dieser vier Arbeitsbereiche bestimmt wurden,

 

·         bekräftigen, dass den Themen Einheit, Spiritualität und Mission sowohl theologisch als auch praktisch besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Der ÖRK und seine Mitgliedskirchen werden dazu ermutigt, die schwierigen ekklesiologischen Fragen, die im Bericht der Sonderkommission zur orthodoxen Mitarbeit im ÖRK dargelegt werden, zu erörtern und die Fragen der Einheit und Katholizität, der Taufe und des Gebets prioritär zu behandeln;

·         die Kirchen auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene ermutigen, sich für die Fortsetzung der ökumenische Ausbildung für alle einzusetzen. In dieser Rolle sollte der ÖRK einen Dialog und eine mögliche Zusammenarbeit initiieren und erleichtern, und zwar zwischen religiösen und politischen Akteuren über die Rolle der Kirche in der Zivilgesellschaft und zwischen den Religionen in Bereichen des gegenseitigen Verständnisses; 2

·         bekräftigen, dass eine Weiterverfolgung des AGAPE-Prozesses unternommen und ausgeweitet werden soll, in Zusammenarbeit mit anderen ökumenischen Partnern und Organisationen, um (1) eine theologische Reflexion über diese Themen zu führen, die sich aus der Mitte unseres Glaubens heraus ergeben; (2) solide politische, wirtschaftliche und soziale Analysen durchzuführen; (3) einen ständigen Dialog zwischen religiösen, wirtschaftlichen und politischen Akteuren zu unterhalten; und (4) praktische, positive Ansätze aus den Kirchen auszutauschen; 3

·         im Hinblick auf die zweite Hälfte der Dekade (DOV) unterstützen, dass die regionalen Schwerpunkte weitergeführt werden; dass mehr erfolgreiche Beispiele ausgetauscht werden, um die Kirchen und die Ortsgemeinden zu ermutigen, in ihrem eigenen Kontext auf die Überwindung von Gewalt zu reagieren; dass ein breiter Konsultationsprozess initiiert wird hin zur Ausarbeitung einer ökumenischen Erklärung über gerechten Frieden; und schließlich, dass zum Abschluss der Dekade zur Überwindung von Gewalt im Jahr 2010 eine internationale ökumenische Friedensversammlung organisiert wird.

 

 

VI. Planung für die Zeit nach der Vollversammlung

 

27. In der Zeit zwischen der Vollversammlung und der Tagung des Zentralausschusses 2006 wird, unter Leitung der ÖRK-Führung und durch Konsultationen mit Kirchen und wichtigen ökumenischen Partnern intensiv darüber nachgedacht, wie die Leitlinien der Vollversammlung umgesetzt werden können und wie die Programmarbeit zu gestalten ist.

 

 

 

Beschlussfassungen:

 

28. Im Blick auf ihre Aufgabe, die zukünftige Programmarbeit des ÖRK zu gestalten, billigt die Neunte Vollversammlung die folgenden Verfahren:

 

  • Eine Arbeitsgruppe aus den Vorsitzenden des Ausschusses für Programmrichtlinien, des Weisungsausschusses für Grundsatzfragen, des Ausschusses für öffentliche Angelegenheiten und des Finanzausschusses der Vollversammlung wird damit beauftragt, der ÖRK-Leitung bei der Ausarbeitung zukünftiger Programmempfehlungen zur Seite zu stehen.
  • Für jedes Programm werden klare, gut funktionierende Planungs-, Kontroll- und Auswertungsmechanismen geschaffen.
  • Es wird klar unterschieden zwischen langfristigen, zeitlich befristeten oder besonders dringenden Aufgaben.
  • Für jedes Programm wird eine Strategie der wechselseitigen Kommunikation ausgearbeitet, die in der Arbeit mit den verschiedenen Mitgliederkreisen auch angewandt wird.
  • Für das schrittweise Auslaufen, die Neugestaltung und die Neukonzipierung von Programmen werden klare Ausstiegsstrategien geschaffen, unter Berücksichtigung der begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen des ÖRK und der Möglichkeiten der Zusammenarbeit und gemeinsamen Verantwortung mit anderen ökumenischen Partnern.
  • Mit den Mitgliedskirchen und den kirchlichen Diensten und Werken wird ein nachhaltiger Dialog geführt über Wege, zusätzliche finanzielle Unterstützung für die Programmarbeit des ÖRK zu erhalten.

 

29. Die Neunte Vollversammlung erklärt, dass der ÖRK sich in seinem Zeugnis in der Welt klarer und stärker öffentlich profilieren sollte. In diesem Sinne steht zu hoffen, dass der ÖRK seine Energie und Aufmerksamkeit auf eine beschränkte Anzahl von Themen richten wird, die nach einer gemeinsamen Antwort der Kirchen verlangen. HIV/AIDS (einschließlich der ekklesiologischen Implikationen dieser Pandemie in den meisten Teilen unserer Welt) sollte eines dieser Themen sein.

 


1 Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter, Delegierte der Evangelischen Kirche in Deutschland, äußerte eine abweichende Meinung in dem Sinne, dass der Beschluss des Zentralausschusses zum gemeinsamen Gebet Gottes Geist darin behindere, in vielfältigen und inklusiven Bildern und Symbolen zu sprechen.

2 Hulda Gudmundsdottir, Delegierte der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Island, beantragte, am Ende des ersten Satzes die Worte und sich dabei auch mit spaltenden Fragen wie menschliche Sexualität befassen hinzuzufügen; Vier Delegierte beantragten, am Ende des ersten Satzes die Worte und sich dabei speziell auf junge Menschen, Frauen, Menschen mit Behinderungen, indigene Völker, Dalits und Menschen afrikanischer Abstammung zu konzentrieren" hinzuzufügen. Es handelte sich um: Carmen Landsdowne, Delegierte der Vereinigten Kirche von Kanada; Pfrin. Robina Winbush, Presbyterianische Kirche (USA); Pfr. Dr. Tyrone Pitts, Progressiver Nationaler Baptistenbund, e.V. (USA); David Palopaa, Kirche von Schweden.

3 Eine abweichende Meinung von Klaus Heidel, Delegierter der Evangelischen Kirche in Deutschland, wurde zu Protokoll genommen. Er war der Meinung, das Hauptgewicht der Empfehlung müsse auf konkrete Aktivitäten und Aktionen gelegt werden.

 


 

©2006 Ökumenischer Rat der Kirchen